Wahlverfahren
Wahlen kennt man aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, ob es sich in Vereinen um die Vorstandswahl handelt, um Betriebs- bzw. Personalratswahlen, oder um politische Wahlen, bei denen jeder aufgerufen ist, entsprechende Personen oder Parteien und Gruppierungen für bestimmte Gremien zu wählen, angefangen bei der Gemeindevertretung bis hin zum Europaparlament. Ziel aller Wahlen ist es, dass letztlich eine bestimmte Gruppe von Personen gewählt wird, die alle Wahlberechtigten repräsentiert und in deren Namen Entscheidungen treffen kann. Um eine Wahl ordnungsgemäß durchführen zu können, bedarf es eines festgelegten Systems, wobei die Systeme bei den einzelnen Wahlen teils sehr unterschiedlich sind.
Grundsätzlich wird zwischen zwei verschiedenen Wahlsystemen bzw. Wahlverfahren unterschieden, der Verhältniswahl und der Mehrheitswahl, wobei diese Wahlsysteme in verschiedenen Varianten bzw. auch Kombinationen zur Anwendung kommen, die Bundestagswahl z.B. ist mittels der Abgabe einer Erst- und einer Zweitstimme eine sogenannte personalisierte Verhältniswahl, also eine Kombination beider Systeme. Wichtig ist, dass das für die jeweilige Wahl angewandte Verfahren dazu beiträgt, die mit der Wahl verfolgten Ziele zu erreichen. Ein wesentliches Ziel ist es, dass jeder Wahlberechtigte in die Lage versetzt wird, wirklich ’seine‘ Stimme abzugeben, d.h. das System muss so einfach gestaltet sein, dass es von den Wählern verstanden und akzeptiert wird. Das System kann so ausgelegt sein, dass das Wahlergebnis den Wählerwillen widerspiegelt, jede Stimme also gleichberechtigt in das Ergebnis einfließt, damit das Ergebnis den Wählerwillen repräsentiert. Dieses Grundprinzip der Verhältniswahl beinhaltet aber dann auch, dass z.B. bei der Bundestagswahl erst nach der Wahl die Parteien über die Regierungsbildung entsprechend den erzielten Mehrheiten und möglichen Koalitionen entscheiden. Um hier einer zu großen Zersplitterung der gewählten Gremien in einzelne Fraktionen oder Einzelabgeordnete vorzubeugen, gibt es in vielen Wahlgesetzen Sperrklauseln, die eine Mandatsvergabe für eine Partei von der Erreichung einer bestimmten Mindeststimmenzahl abhängig machen (z.B. Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl). Eine andere Zielfunktion des Wahlsystems kann sein, die Wähler direkt über die künftige Machtverteilung entscheiden zu lassen, also durch Mehrheitswahl die Stimmen auf den Kandidaten mit dem größten Zuspruch zu konzentrieren, ein System, wie es etwa bei der Präsidentschaftswahl in den USA zur Anwendung kommt. Dieses Verfahren benachteiligt allerdings in der Regel die kleineren Parteien und Organisationen.
Die Verhältniswahl gibt also das Wahlverhalten am besten wieder, kann aber zu einer großen Zersplitterung führen und auch dazu, dass kleine Parteien, da sie als Koalitionspartner benötigt werden, einen überproportionalen Einfluss erlangen. Außerdem ist hier keine direkte Auswahl zwischen Personen möglich, da Listen von Kandidaten gewählt werden.
Bei der Mehrheitswahl hingegen kommt es zu einer unmittelbaren Identifikation des Wählers mit dem Kandidaten, allerdings werden in diesem Fall die Wählerstimmen nicht gleichberechtigt behandelt, da die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten entfallen. Diese Wahlen liefern zwar oft eindeutigere Ergebnisse, was die Mehrheitsverhältnisse im zu wählenden Gremium betrifft, können aber unter bestimmten Umständen zur Herausbildung eines Zweiparteiensystems führen.
Die nachfolgend beschriebenen Verfahren gelten gleichermaßen für politische Wahlen, also für die Wahl von Parlamentsabgeordneten, für die Wahl des Bundespräsidenten, von Bürgermeistern usw., wie auch für die Wahlen in anderen Organisationen, die Wahlen von Vorständen, Aufsichtsräten, Vereinsvorsitzenden oder eines Elternvertreters in der Schule, unabhängig davon, ob es um die Wahl eines einzelnen Siegers oder vieler gleichberechtigter Mandatsträger geht.